
Woche 8: professionelle Distanz
Ein unabdingbares Konzept aus der psychologischen Praxis und Sozialberufen: mitfühlen, ohne sich selbst zu verlieren – essenziell im Beruf und im Alltag

Kennst du das?
Du bist in deiner Klasse, als eine Schülerin von ihren massiven Problemen zu Hause erzählt – sie wirkt verzweifelt, Tränen steigen ihr in die Augen. Du fühlst sofort mit und möchtest helfen. Dabei nimmst du intuitiv eine fürsorgliche Haltung ein: Du hörst zu, fragst nach und versuchst zu beruhigen. Danach aber merkst du, dass dich dieses Gespräch innerlich nicht mehr loslässt.
❌ Ohne professionelle Distanz | ✅ Mit professioneller Distanz |
• Du lässt dich komplett von ihren Emotionen mitreißen, bist tief betroffen. • Nach dem Unterricht fühlst du dich ausgelaugt & kannst kaum abschalten – Gedanken kreisen weiter • du schläfst schlechter, bist gereizt, … | • Du hörst aufmerksam zu & bist empathisch. • Rolle als Lehrperson bewahren, indem du z. B. auf Beratungsstellen, Vertrauenslehrkräfte, Expert*innen verweist. • Schutz für dich & andere SuS: du bleibst präsent und deine Energie bleibt bei dir. |
Darum geht’s: Nur mit professioneller Distanz bleibst du langfristig stabil & verlässlich – für dich selbst & deine Klasse.
Wie funktioniert „Professionelle Distanz“? – Die 8 Bausteine
1. ✋ Klare Rollenabgrenzung & Autorität
Sei nahbar, doch behalte deine Rolle als Lehrkraft im Blick.
Zu viel Nähe kann zu Disziplinproblemen führen - zu viel Distanz zu Vertrauensverlust.
2. 🤗 Empathie – aber nicht mitreißen lassen
Fühle mit, ohne dich vom Problem völlig vereinnahmen zu lassen.
Halte einen mentalen „Abstand“, um den Überblick zu bewahren. (Das ist keine kühle „Distanz“, sondern eine legitime Maßnahme, die im Endeffekt allen weiterhilft!)
3. 🧘 Emotionale Stabilität & Vorbild sein
Deine Gelassenheit bzw. innere Ausgeglichenheit signalisiert Sicherheit & Stabilität, welche die nötige Ruhe in herausfordernde Situationen bringen und gleichzeitig Vorbildwirkung haben.
4. 📏 Professionelle Nähe – mit klaren Grenzen
Zeige Verständnis & Offenheit, doch sei dir bewusst (und dabei ehrlich mit dir selbst und deinem Gegenüber), wo deine Kompetenz endet.
Behalte k örperliche & emotionale Grenzen stets im Blick.
5. 💬 Klare Kommunikation, methodische Gesprächsführung & konsequente Struktur
Sag deutlich, was du leisten kannst und wo die Grenze deiner Verantwortung liegt.
Lege Regeln & Vorgehensweisen fest, um sowohl dir als auch den SuS Sicherheit zu geben.
Nutze gezielt (für dich passende) Gesprächstechniken bzw. -prinzipien (z. B. lösungsorientierte Fragen, Zeitbegrenzungen), um empathisch zu bleiben & gleichzeitig die Distanz zu wahren. So wirkst du nicht kühl, sondern strukturiert & klar.
6. 🕵 Supervision & Reflexion
Teile deine Erfahrungen regelmäßig mit Kolleg*innen, vertrauten Bekannten oder in Supervisionsgruppen.
So erkennst du blinde Flecken und vermeidest, eigene Themen, Vorurteile, Erfahrungen usw. unbemerkt einfließen zu lassen.
7. 🤔 Flexibilität in der Distanz – bewusst steuern
Manchmal ist mehr Nähe nötig (z.B. Einzelgespräche), manchmal mehr Abstand. Überprüfe dein Gespür und passe dich situativ an.
Flexibilität ist die Königsdisziplin in diesem Zusammenhang: Balanciere je nach Bedarf.
Von der Theorie ins Tun
Reflexion: Denke an ein Beispiel, in dem du (möglicherweise) zu sehr in die Probleme einer Schülerin oder eines Schülers hineingezogen wurdest.
✍️ Notiere dir: Welche Gefühle kamen hoch? Welche der oben genannten 8 Bausteine hättest du stärken können?
Planung & Anwendung:
✍️ Lege dir 2–3 Sätze zurecht, die du in einer emotionalen Situation nutzen kannst, um empathisch zu sein, ohne deine Rolle zu verlassen.
Überlege, wo du externe Hilfe vorschlagen könntest (Schulsozialarbeit, Beratungsstellen etc.).
Nachbereitung: Frage dich nach der Umsetzung (dieser Schritt kann natürlich erst ausgeführt werden, wenn sich eine entsprechende Situation ergeben hat):
✍️ Wie habe ich meine Grenzen gewahrt? Welche Bausteine haben mir am meisten geholfen?
🗣️ Suche dir Feedback (Kolleg*innen, Mentor*innen, Supervision), um ein Gefühl für deine professionellen Grenzen zu entwickeln.
Warum ist das wichtig?
💪 Du bleibst langfristig handlungsfähig & gesund.
🧑🧒🧒 SuS profitieren von einer souveränen, klaren Lehrkraft, die zwar mitfühlend, aber nicht ausgelaugt ist.
🦺 Professionelle Distanz schafft einen sicheren Rahmen für alle Beteiligten und fördert vertrauensvolles Lernen.
💡 Tipp: Wenn du merkst, dass du dich nach intensiven Gesprächen emotional erschöpft fühlst, nutze deine Notizen als Erinnerungsstütze & tausche dich aktiv mit Kolleg*innen aus. So wirst du jedes Mal etwas sicherer darin, empathisch & gleichzeitig professionell distanziert zu bleiben. Diese Fähigkeit hilft dir nicht nur im Klassenzimmer, sondern auch, wenn eine Freundin mal wieder ihren Umzugsstress bei dir ablädt, dein Kollege dich mit endlosen Geschichten über seine kaputte Kaffeemaschine versorgt oder du beim Familienessen ungefragt zur Lebensberater*in wirst – mitfühlen ja, aber die eigene Energie behalten!